Die richtige Sitzposition auf dem Fahrrad

Der unabhängige Radexperte Robert Kühnen im Interview

Mit richtiger Sitzhöhe in die richtige Sitzposition

Wie finde ich die richtige Sitzposition auf dem Fahrrad? Hier erfahren Sie, welche Rolle die Sitzhöhe, die Lenkerposition und die Rahmengröße bei der Antwort auf diese Frage spielen. Außerdem gibt Radexperte Robert Kühnen seine Einschätzung zum Bikefitting und 5 Do-it-Yourself-Tipps zum Thema „richtige Sitzposition“ preis.

„Schmerzfrei und effizient in die Pedale treten und das Rad beherrschen.“ Diese Ziele einen vom Einkaufsradler bis zum Tour-de-France-Sieger alle Fahrradfahrer. „Und wenn Sie diese Ziele erreicht haben, dann haben Sie die richtige Sitzposition auf dem Fahrrad gefunden“, sagt der Radexperte Robert Kühnen.

Auf welchen Wegen Sie diese Ziele erreichen, verrät Kühnen im Interview. Robert Kühnen ist Diplom-Ingenieur für Maschinenbau und seit 1993 in der Fahrradbranche tätig: Als Journalist, unter anderem als Leiter der Test-&-Technik-Abteilung des Magazins TOUR. Als Betreuer von Sportlern vom Hobbyathleten bis zum Weltklasseprofi. Als Geschäftsführer von BIKE ENGINEERING. Als erfolgreicher Fahrer auf der Straße und im Gelände; 2011 war er Zeitfahr-Weltmeister der Journalisten und Vize im Straßenrennen. Kühnen denkt ebenso unabhängig wie quer.

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Wie finde ich die richtige Sitzposition auf dem Fahrrad?

„Die eine richtige Sitzposition auf dem Fahrrad gibt es nicht“, sagt Robert Kühnen, „sie variiert zum Beispiel je nach Radtyp.“ Aber es gibt eine klar definierbare Größe, die auf dem Hollandrad und dem Rennrad passen muss: die richtige Sitzhöhe. „Sie ist einfach zu bestimmen und zugleich das Wichtigste“, so der Experte, der auch die Formel dazu verrät: „Innenbeinlänge mal 0,885 ist gleich Sitzhöhe, die sich auch als der Abstand vom Tretlager zur Satteloberseite beschreiben lässt.“ Und so können Sie die Innenbeinlänge messen und darauf aufbauend die richtige Sitzhöhe bestimmen:

So bestimmen Sie Ihre Sitzhöhe

Die richtige Sitzhöhe auf dem Fahrrad orientiert sich an Ihrer Schrittlänge (Innenbeinlänge). Diese können Sie ganz einfach berechnen. Bei Schritt 3 lassen Sie sich am besten helfen:

    1. Stellen Sie sich barfuß und ohne Hose auf einen flachen und ebenen Untergrund.
    2. Klemmen Sie sich eine Wasserwaage oder ein Buch zwischen die Beine und schieben Sie es nach oben.
    3. Bitten Sie nun einen Helfer, mit dem Maßband den Abstand zwischen der Oberkante der Wasserwaage beziehungsweise des Buches und dem Boden zu messen.

Sitzhöhe mit Schrittlänge berechnen

In nächsten Schritt müssen Sie die gemessene Schrittlänge (Innenbeinlänge) mit dem Faktor 0,885 multiplizieren.

Sie erhalten anschließend Ihre Sitzhöhe in Zentimetern. Auf das Fahrrad übertragen Sie diese dann am einfachsten und genauesten, indem Sie mit einem Lot den entsprechenden Abstand von der Satteloberseite zum Tretlager ermitteln.

Welche Rolle spielt die Lenkerposition für die richtige Sitzposition auf dem Rad?

„Die Sitzhöhe ist die wichtigste Größe, um die richtige Sitzposition auf dem Rad zu finden“, verdeutlicht Kühnen noch einmal. Eine zweite wichtige Stellschraube stellt die Lenkerposition dar. Die zu bestimmen und anzupassen, ist komplizierter als im Fall der Sattelhöhe: „Welche die passende Lenkerposition ist, hängt zunächst auch wieder vom Einsatzzweck Ihres Fahrrads ab. Auf dem Rennrad etwa wollen Sie eine sportliche, vorgelagerte Position einnehmen, um die Aerodynamik zu verbessern“, erläutert der Journalisten-Weltmeister auf der Straße. „Zwei Dinge gelten allerdings immer:

    1. Der Lenker sollte bequem greifbar sein.
    2. Ziel ist stets eine ausgewogene Gewichtsverteilung, das heißt 40 bis 50 Prozent Ihres Gewichts liegen auf dem Vorderrad.“

Wo Sie beim Thema Lenkerposition im Detail anpacken müssen, weiß Diplom-Ingenieur Kühnen natürlich auch: „Sie können die Lenkerposition horizontal, also vor und zurück, über die Vorbaulänge anpassen. Der Vorbau ist das Bauteil, das den Lenker mit der Gabel verbindet. Die Lenkerposition vertikal, also rauf und runter, verändern Sie über das Umsortieren von Distanzhülsen (Abstandsringen) unter dem Vorbau.“

Hinweis: Mit einer sportlichen Lenkerposition allein ist es nicht getan, diese erfordert gezieltes Training. Ein stabiler Rumpf ist die Grundvoraussetzung, um in dieser Position schmerzfrei und effizient fahren zu können.

Das bedeutet auch: Neben Sitzhöhe und Lenkerposition müssen Sie Faktoren wie Ihren Trainingszustand, Ihre Körper-Geometrie und Ihre Beweglichkeit sowie natürlich stets den Einsatzzweck Ihres Fahrrades berücksichtigen.

Lenkerposition auf dem Rennrad
Je nach Einsatzzweck Ihres Fahrrads variiert die Lenkerposition. Beim Rennrad ist sie sportlich vorgelagert.

Welche Empfehlungen gibt es zur Rahmengröße?

Robert Kühnen: „Der Zuschnitt und die Bemaßung der Fahrräder ist heute nicht mehr einheitlich. Oft geben die Hersteller nur Konfektionsgrößen wie S, M und L an. Das macht es schwer, eindeutige Empfehlungen zur Rahmengröße zu geben. Aber alle Hersteller geben Tipps, zu welcher Körpergröße/Schrittlänge welches Modell passt. Die eine ‚richtige‘ Rahmengröße gibt es sowieso nicht. Es kommt ein Bereich in Frage, je nachdem, wie man sitzen möchte. Solange Sie die Kontaktpunkte Sattel und Lenker über die Anbauteile wie gewünscht einstellen können, hat der Zuschnitt des Rahmens vor allem eine ästhetische Bedeutung.“

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Hilft mir Bikefitting dabei, die richtige Sitzposition zu finden?

Zunächst liefert Robert Kühnen seine Definition von Bikefitting: „Bikefitting ist der Versuch, mittels eines kurzen Maßnehmens Beschwerden vorzubeugen oder diese abzustellen. Es gibt dabei unter den Anbietern grundsätzlich zwei Philosophien: Die einen sagen, wir machen das einmal richtig und dann ist es gut. Die anderen gehen von einem steten Prozess aus, mit wiederholten Terminen beim Fitter.“

Letzteres sieht Kühnen kritisch, da in diesem Fall nur eines sicher ist: „Hier fließt viel Geld …“ Seine Empfehlung zum Bikefitting lautet: „Die größte Motivation, an seinem Rad etwas zu ändern, ist: Schmerzen abstellen. Daher meine Einschätzung: Wenn Sie keine wirklich ernsthaften Probleme in dieser Hinsicht haben, ist Bikefitting nicht unbedingt nötig. Etwas anderes ist es bei Leistungssportlern, die über Bikefitting ihre Effizienz verbessern können.“ Für alle, die nicht zur Kategorie Hawaii-Triathlet oder Radprofi gehören, hat Robert Kühnen zum Abschluss noch 5 Tipps, um ihr Bike selbst zu fitten.

Mein Fahrrad selbst anpassen – 5 Do-it-Yourself-Tipps

Fitten schnell, einfach und ohne größere Vorkenntnisse – Robert Kühnen verrät Ihnen hier 5 einfache Do-it-Yourself-Tipps, damit Sie richtig auf ihrem Fahrrad sitzen:

1. Sattelhöhe checken

„Immer an erster Stelle: Checken Sie die Sattelhöhe! Wie eingangs beschrieben.“

2. Sattelstellung anpassen, Teil 1

„Checken Sie die Sattelstellung. Ist sie waagerecht? Dann können Sie gegebenenfalls die Sattelnase leicht senken. Dies vermindert vorne den Druck und ist besonders für Frauen eine wirksame Maßnahme. Senken Sie den Sattel aber nur sehr wenig, sonst sitzen Sie auf einer schiefen Ebene. Dann müssen Sie sich mit den Armen abstützen und belasten so die Schultern zu stark. Ziel einer Veränderung der Sattelstellung ist es, die Sitzknochen zu belasten. Falls Sie dies durch eine Positionsveränderung nicht erreichen können, besorgen Sie sich einen anderen Sattel, in Breite und Form.“

3. Lenkerposition einrichten

„Ist der Lenker gut erreichbar? Wie schon erläutert, soll der Lenker bequem greifbar sein. Noch einmal zur Erinnerung: Versuchen Sie eine ausgewogene Gewichtsverteilung mit 40 bis 50 Prozent des Gewichts auf dem Vorderrad zu erzielen.“

4. Sattelstellung anpassen, Teil 2

Sattelstellung checken, die Zweite: Sie können Ihren Sattel auch vor und zurück bewegen. Das wirkt sich auf die Kräftebalance zwischen Lenker, Sattel und Pedal aus. Verstellen Sie den Sattel aus der Ausgangsposition nach hinten, entlastet das Ihre Arme und Schultern.“

5. Fußstellung prüfen

„Und zu guter Letzt: Prüfen Sie die Fußstellung auf dem Pedal – insbesondere bei Klickpedalen. Die Position auf dem Pedal sollte der natürlichen Fußstellung entsprechen. Montieren Sie die Pedalplatten eher weiter hinten als weiter vorne und bevorzugen Sie drehfreie Platten.“

Viel Spaß mit Ihrem Rad!

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Wir bedanken uns bei Robert Kühnen für das Interview und wünschen Ihnen stets gute Fahrt!

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Bilder: Titelbild: © iStock/ RyanJLane; Bilder: © iStock/ Mypurgatory- years; © iStock/ mel-nik